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Baufinanzierung widerrufen: So gehen Sie vor

Eine Baufinanzierung sollte sorgfältig geplant werden. Allerdings lassen sich nicht alle Eventualitäten im Leben planen bzw. im Voraus absehen. Im Besonderen trifft dies die finanziellen Belange, zum Beispiel in Form von Krediten und Finanzierungen. Die Baufinanzierung ist ein gutes Beispiel hierfür. Sie läuft in der Regel über viele Jahre, also deutlich länger als ein herkömmlicher Ratenkredit. Daher kommt es des Öfteren vor, dass Baufinanzierungen aus beim Abschluss nicht absehbaren Gründen widerrufen werden müssen.

Doch wie funktioniert ein solcher Widerruf? Schließlich haben Sie mit dem Baufinanzierer ein Vertrag geschlossen. Und welche Kosten entstehen, wenn ein Vertrag zur Baufinanzierung vorzeitig gekündigt bzw. widerrufen werden soll? Wir klären auf.

Kann jede Baufinanzierung widerrufen werden?

Hier gilt die alte Aussage: Im Prinzip ja. Grundsätzlich kann jede Baufinanzierung widerrufen werden, allerdings nur unter ganz bestimmten Umständen. Diese Umstände betreffen vor allem die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung. Hierbei muss der Kreditnehmer eine Art „Strafe“ an den Kapitalgeber zahlen, wenn der Kreditvertrag vor dem eigentlichen Ablaufzeitpunkt aufgelöst werden soll. Hintergrund des Ganzen ist, dass dem Kreditgeber durch die vorzeitige Kündigung des Darlehens Kosten entstehen. Diese Kosten ergeben sich beispielsweise durch entgangene Zinseinnahmen. Durch die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung sollen diese Kosten für den Kreditgeber kompensiert werden.

In der Regel wird die Vorfälligkeitsentschädigung im Kreditvertrag festgelegt. Somit muss sie bei vorzeitiger Auflösungsvertrages vom Kreditnehmer in jedem Fall bezahlt werden. Allerdings gibt es auch hierbei Ausnahmen. Soll heißen: Es bestehen durchaus Mittel und Wege, eine Baufinanzierung ohne Zahlung der teilweise extrem hohen Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zu kündigen. Natürlich ist das Ganze völlig legal und kann von jedermann in Anspruch genommen werden.

Die verbreitetste Möglichkeit, eine Baufinanzierung vorzeitig zu widerrufen, besteht aus Fehlern in der Widerrufsbelehrung. Nachfolgend wollen wir uns diese Möglichkeit einmal etwas näher ansehen.

Fehler in der Widerrufsbelehrung

Wie fast alle Verträge, die zwischen gewerblichen Anbietern und Verbrauchern geschlossen werden, muss auch ein Vertrag zur Baufinanzierung eine Widerrufsbelehrung enthalten. Dem Vertragsnehmer wird hiermit also das Recht eingeräumt, den geschlossenen Vertrag innerhalb eines gewissen Zeitraums zu widerrufen, ohne dass hierfür finanzielle Entschädigungen fällig werden oder sonstige, für ihn negative Folgen entstehen. Die Widerrufsfrist beträgt jedoch bei den meisten Verträgen nur 14 Tage.

Trotzdem kann es möglich sein, die Baufinanzierung auch nach Ablauf dieser Frist zu widerrufen. Und zwar dann, wenn sich die Widerrufsbelehrung im Nachhinein als fehlerhaft herausstellt. Nun mag mancher denken: Bei wie vielen Verträgen kann das schon der Fall sein? Fakt ist, dass die Verbraucherzentralen von einer Fehlerquote ausgehen, die fast 80 beträgt. Somit sind in acht von zehn Widerrufsbelehrungen in Verträgen für Kredite und Baufinanzierungen Fehler enthalten. Einer der Hauptgründe hierfür sind die ständigen Änderungen in den Widerrufsbelehrungen, die von Seiten des Gesetzgebers innerhalb der letzten Jahre eingeführt wurden. Selbst Experten gelingt es kaum noch, hier einen Überblick zu bewahren und stets die aktuellste und gültige Form einer Widerrufsbelehrung in dem entsprechenden Vertrag vorzuhalten.

Die Chancen, dass die Widerrufsbelehrung Fehler aufweist, stehen also weitaus höher als gedacht. Mit einer ungültigen Widerrufsbelehrung erhält der Vertragsnehmer die Möglichkeit, den geschlossenen Vertrag auch noch nach Ablauf der Widerrufsfrist zu widerrufen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Widerrufsfrist zwei Wochen oder fünf Jahre abgelaufen ist.

Dazu ein simples Beispiel: Die Klausel „Das Widerrufsrecht des Verbrauchers beginnt mit Inkrafttreten des Vertrages“ findet sich noch heute in unzähligen Widerrufsbelehrungen in Verträgen aller Art. Die entsprechende Formulierung ist jedoch unzutreffend, was mittlerweile von verschiedenen Gerichten bestätigt wurde. Somit ist eine Widerrufsbelehrung, die diese Formulierung erhält, grundsätzlich ungültig, so dass der entsprechende Vertrag auch noch nach Jahren widerrufen werden kann.

Wie kann ich prüfen, ob mein Baufinanzierungsvertrag Fehler enthält?

Verträge sind Expertensache. Sie sollten daher nicht selbst daran gehen, Ihren Baufinanzierungsvertrag auf Fehler zu untersuchen. Zwar gibt es im Internet mittlerweile viele Informationen zu diesem Thema, sie ersetzen jedoch nicht die Fachkenntnisse eines Experten bzw. Juristen. Gehen Sie daher mit Ihrem Baufinanzierungsvertrag am besten zu einem spezialisierten Rechtsanwalt oder zu Ihrer zuständigen Verbraucherschutzzentrale. Hier finden Sie die genannten Experten. Allerdings sollten Sie sich darauf einrichten, dass die Bearbeitungszeit bei Vorlage des Vertrages in einer Verbraucherzentrale deutlich länger ist, als wenn Sie damit zu einem Rechtsanwalt gehen. Dafür sind die Kosten bei der Verbraucherzentrale geringer.

Was tun, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung bereits bezahlt wurde?

Auch wenn nach Kündigung des Vertrages zur Baufinanzierung eine Vorfälligkeitsentschädigung bereits an den Kreditgeber gezahlt wurde, besteht die Möglichkeit, diese zurückzufordern. Allerdings gibt es hierfür festgelegte Fristen. So hat der Kreditnehmer bei einer bezahlten Vorfälligkeitsentschädigung innerhalb von drei Jahren die Möglichkeit, Einspruch einzulegen und die Rückzahlung zu fordern. Die Verjährungsfrist beginnt jeweils am 31. Dezember des Jahres, in dem die Vorfälligkeitsentschädigung an den Kreditgeber gezahlt wurde.

Dazu ein Beispiel: Die Vorfälligkeitsentschädigung nach Kündigung der Baufinanzierung wurde im August 2018 gezahlt. Die Verjährungsfrist beginnt nun am 31. Dezember 2018 und beträgt drei Jahre. Sie endet also erst am 31. Dezember 2021. Somit ergibt sich ein Vorteil für denjenigen, der die Vorfälligkeitsentschädigung bereits am Anfang eines Jahres gezahlt hat. Die Verjährungsfrist beträgt damit effektiv fast vier Jahre.

Wird eine Vorfälligkeitsentschädigung auch dann fällig, wenn der Vertrag bereits länger läuft?

Je nach Zinsbindungsfrist können Verträge zur Baufinanzierung durchaus 15 oder 20 Jahre laufen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Kann nach einem Zeitraum von beispielsweise zehn Jahren überhaupt noch eine Vorfälligkeitsentschädigung vom Kreditgeber gefordert werden? Auch hierfür hat der Gesetzgeber entsprechende Regelungen geschaffen. Laut Gesetz gilt: Läuft die Baufinanzierung seit mindestens zehn Jahren, so kann der Kreditnehmer diese innerhalb von sechs Monaten ablösen, ohne dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen. Diese Regelung ist allerdings in Deutschland noch nicht sehr bekannt, obwohl sie schon relativ lange besteht.

Muss eine Vorfälligkeitsentschädigung auch bei bereits lang laufender Baufinanzierung gezahlt werden?

Viele Baufinanzierungen werden über einen langen Zeitraum, zum Beispiel 15 oder 20 Jahre, abgeschlossen. Nun fragt sich mancher Kreditnehmer, ob es überhaupt rechtens ist, beispielsweise nach einem Zeitraum von zehn Jahren, in denen die Raten regelmäßig bedient und Zinsen gezahlt wurden, überhaupt noch eine Vorfälligkeitsentschädigung zu fordern.

Hier gilt folgende gesetzliche Regelung: Nach einer Laufzeit von zehn Jahren hat der Kreditnehmer das Recht, die Baufinanzierung innerhalb von sechs Monaten abzulösen, ohne dass dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung gefordert werden darf. Leider wissen viele Immobilienbesitzer in Deutschland nicht von dieser Regelung. Mancher Finanzierungsanbieter nutzt diesen Umstand aus und fordert für eine Ablöse nach zehn Jahren trotzdem die besagte Entschädigung, und der Verbraucher bezahlt sie, obwohl er dies nicht müsste.

Achtung: Fehler in der Vorfälligkeitsentschädigung

Zusätzlich zu den hier beschriebenen Optionen für den Widerruf einer Hausfinanzierung besteht immer auch die Möglichkeit, dass die Vorfälligkeitsentschädigung bzw. deren Höhe vom Kreditgeber falsch berechnet wurde. Es ist daher anzuraten, die entsprechende Summe selbst auszurechnen. Dafür gibt es inzwischen komfortabel zu bedienende Rechner im Internet. Sofern die Summe falsch berechnet wurde, besteht die Möglichkeit, sie rückwirkend wieder einzufordern und die Immobilienfinanzierung zu widerrufen, ohne den finanziellen Obolus leisten zu müssen.

Setzen Sie auf einen erfahrenen Rechtsbeistand

Da es bei der Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigungen meist um hohe Summen geht, stellen sich Kreditgeber hier oft quer und der betreffende Fall landet letztendlich vor Gericht.  Grundsätzlich ist es möglich, als Verbraucher bzw. Kreditnehmer sein Recht eigenständig einzuklagen und die Sache somit selbst in die Hand zu nehmen, empfehlenswert ist dies allerdings nicht. Nur ein auf Immobilien- bzw. Vertragsrecht spezialisierter Anwalt kann sämtliche rechtlichen Feinheiten bis ins Detail kennen und somit eine wirkungsvolle Verteidigungs- oder Angriffsstrategie ausarbeiten.

Bezüglich der Kosten für den Rechtsbeistand sollte zunächst eruiert werden, ob eine vorhandene Rechtsschutzversicherung diese übernimmt. In manchen Rechtsschutzversicherungen sind Fälle, die mit Bau- bzw. Immobilienfinanzierungen zu tun haben, generell ausgeschlossen. Falls dies bei Ihrer Rechtsschutzversicherung der Fall ist, sollten Sie die Erfolgschancen vor Gericht zunächst ganz genau von Ihrem Anwalt prüfen lassen, bevor Sie sich dem Risiko aussetzen, im Falle eines verlorenen Prozesses die Kosten letztendlich selbst übernehmen zu müssen.

Fazit

Es gibt durchaus Möglichkeiten, eine bereits abgeschlossene Bau- oder Immobilienfinanzierung zu widerrufen, ohne dass dafür die gefürchtete Vorfälligkeitsentschädigung fällig wird. Wichtig ist, die diesbezüglichen gesetzlichen Möglichkeiten genau zu kennen und den Finanzierungsvertrag von einem echten Experten auf Herz und Nieren prüfen zu lassen. Dann stehen die Chancen gut, mehrere tausend Euro für die Entschädigung einzusparen.